Nachhaltige Digitalisierung und Digitale Suffizienz

Digitale Technologie ist in erster Linie ein Werkzeug: Auf dem Weg zu Netto-Null hat sie das Potential, die Ressourcen- und Energieeffizienz sowie die Kreislaufwirtschaft zu fördern und so zu einer CO2-neutralen Zukunft beizutragen. Aktuell verursacht sie aber immer mehr Emissionen und verbraucht mehr Energie und Ressourcen:

Effizienzsteigerungen durch Digitalisierung und technologische Innovationen führen oft dazu, dass die Umweltbelastung ganzheitlich und langfristig betrachtet nicht abnimmt oder sogar steigt (Rebound– und Induktionseffekte): Technologische Einsparungen an Energie oder Zeit werden durch zusätzlichen Konsum aufgezehrt. Ein Beispiel sind mobile Endgeräte wie Smartphones. Sie ermöglichen es Konsument:innen, jederzeit und überall einzukaufen.

Da mobiles Einkaufen neue Optionen schafft – zum Beispiel mitten in der Nacht oder während des Wartens an der Bushaltestelle – spricht man hier von einem Induktionseffekt: Die Technologie ermöglicht zusätzlichen Konsum, der ohne sie nicht stattgefunden hätte.

Technologie zum Teil der Lösung machen – nicht des Problems

Um die Klimaziele zu erreichen und digitale Technologien so zu gestalten, dass sie für anstatt gegen den Planeten arbeiten, müssen sie nicht nur effizienter (“besser”) und konsistenter (“anders”) sondern auch suffizienter (“so viel wie nötig, so wenig wie möglich”) werden. 

«Die vorherrschende Strategie des Einsatzes digitaler Technologien zur Steigerung der Effizienz muss von einer übergreifenden Strategie der Suffizienz geleitet sein, die darauf abzielt, Bedürfnisbefriedigung (‚ein Genug‘) anstelle einer laufenden Steigerung (ein ‚mehr‘) zu erzielen.»

Digitale Suffizienz zielt auf die Senkung des absoluten Niveaus des Ressourcen- und Energieverbrauchs oder der Emissionen durch oder mit digitaler Technologie ab und stellt die Frage: Wie können wir digitale Technologien so einsetzen, dass ein gutes Leben für alle innerhalb der planetaren Grenzen möglich ist?

Digitale Suffizienz kennt vier Dimensionen:

  1. Softwaresuffizienz – energieeffiziente und datensparsame Software; 
  2. Hardwaresuffizienz – weniger Geräte, dafür langlebiger, reparierbar und aufrüstbar;
  3. Nutzungssuffizienz – digitale Technologien energie- und ressourcensparsam einsetzen oder verwenden, um suffiziente Praktiken zu fördern;
  4. Ökonomische Suffizienz – mit digitaler Technologie den Übergang zu einer Postwachstumsökonomie ermöglichen (Arbeitszeitreduktion, Kreislaufwirtschaft etc.)

Prototypen für eine nachhaltigere Zukunft

Doch wie können mehr digitale Projekte und digitale Technologie konkret dazu beitragen, den ökologischen Fussabdruck der Schweiz zu reduzieren? Die finale Antwort dazu kennen auch wir nicht. Womit wir jedoch dienen können, ist ein erprobtes, methodisch strukturiertes Förderprogramm, das interdisziplinären Teams nachweislich dabei hilft, menschenzentriert und kollaborativ technologische Lösungen für komplexe gesellschaftliche Probleme zu entwickeln: der Prototype Fund.

Schon im Entwicklungsprozess neuer digitaler Lösungen müssen wir potentiellen Negativeffekten entgegensteuern. Nur so lässt sich gewährleisten, dass Technologie erfolgreich zur Dekarbonisierung beiträgt. Mit dem Prototype Fund fördern wir Projekte in genau dieser frühen Entwicklungsphase – und wollen deshalb Nachhaltigkeits- und Suffizienzansätze noch stärker als bisher in der Tech-Community und in unserer Programmstruktur verankern.

Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, dass es für die Bewältigung der globalen Multikrise unserer Überzeugung nach mehr systemische Lösungsansätze braucht – technologischer Fortschritt, der nicht die planetaren Grenzen und damit unsere Lebensgrundlage sprengt, sondern innerhalb dieser agiert. Wir müssen weg vom Narrativ allmächtiger Tech-Genies und Hype-Technologien, die all unsere Probleme lösen und hin zu holistischen, kollaborativen bottom-up Lösungen. Aufgrund seiner speziellen Förderstruktur hat der Prototype Fund grosses Potential, eben diesen Transformationsprozess erfolgreich zu unterstützen. Dieses Potential wollen wir gemeinsam mit euch nutzen.

Was wir fördern

Eingereicht werden können bei uns weiterhin Open Source-Software-, aber auch Hardware- sowie andere Projekte. Wir ermutigen explizit auch dazu, sich mit Projekten zu bewerben, die eine nachhaltige Digitalisierung und digitale Suffizienz mit anderen Mitteln fördern. Im Zweifelsfall gilt also: Selbst wenn Code und Lötkolben bei eurer Projektidee nur die zweite Geige spielen, solltet Ihr es ruhig bei uns versuchen. 

Wir bieten Raum für Experimente und Prototypen, die nachhaltige und suffiziente Konzepte in der Praxis erproben und das Potential haben skaliert zu werden – vom digitalen Minimalismus bis zur smarten Ressourcennutzung. Auch anhand eurer Projektideen werden wir dazulernen, was Suffizienz und Nachhaltigkeit im digitalen Kontext alles bedeuten kann. Euer Projekt sollte einen der folgenden zwei Bezüge zu digitaler Technologie haben:

  1. Verminderung von Technologie als Problem: Das Projekt sollte einen bewussteren Umgang mit digitaler Technologie (Hardware und/oder Software) fördern und das Potenzial haben zu einer absoluten Reduktion von Energie-/Ressourcenverbräuchen oder Emissionen in der IT beizutragen. Bspw:
  • Wie kann die Steigerung des Konsums von digitalen Produkten und Services in der Schweiz begrenzt werden? 
  • Wie können digitale Produkte, Services oder Plattformen so gestaltet werden, dass die Betreiber Anreize haben, den absoluten Ressourcenverbrauch zu senken?
  1. Technologie als Teil der Lösung: Das Projekt sollte digitale Technologie (Hardware und/oder Software) nutzen, um zu einer absoluten Reduktion von Energie-/Ressourcenverbräuchen oder Emissionen in anderen Sektoren (z.B. Mobilität, Gebäude, Ernährung) beizutragen. Bspw:
  • Wie können digitale Produkte, Services oder Plattformen dazu beitragen, den Energieverbrauch und die Emissionen der Mobilität zu senken?
  • Wie können digitale Produkte, Services oder Plattformen zu einem Wandel zu nachhaltigeren Ernährungsweisen beitragen?

Falls du unsicher bist, ob deine Idee zu unserem Fokusthema passt, kannst du uns gerne per E-Mail kontaktieren.

Zur Inspiration findest du folgend ein paar Beispiele von existierenden und fiktiven Projekten. Falls du weitere kennst, melde dich gerne bei uns.

  • Software: einheitliche Designstandards, Werbeblocker, Open Source Libraries, Open Data oder gemeinsam genutzter Datenpool (z.B. Mobilitätsdaten) als Infrastruktur bzw. zur Nutzung von Synergien; Tools, die Code und Softwareprozesse optimieren, um den Energieverbrauch zu minimieren (z.B. UPS Orion); Suchmaschinen wie Ecosia, die Einnahmen zur Wiederaufforstung nutzen
  • Hardware: Framework, Fairphone, Open (Source) Hardware; Virtualisierung, d.h., durch den Einsatz von virtuellen Maschinen Hardware effizienter nutzen oder gar nicht erst anschaffen 
  • Nutzung: Sharing-Plattformen wie To Good To Go; Tools, die Verhalten bewusst machen (z.B. Plugin, das Energieverbrauch von Browsing visualisiert oder Empfehlung für aufgabenspezifische Modelle gegenüber General Purpose (wie ChatGPT)); technologiegestützte Optimierung von Energie- und Ressourcenverbrauch von Gebäuden bzw. Energiemanagement-Plattformen für Haushalte

Die Bewerbungsphase läuft vom 23. Januar bis 20. März 2025. Besuche unser Info- & Networking-Event, lerne das Thema besser kennen und vernetze dich mit potentiellen Mitstreiterinnen. Um auf dem Laufenden zu bleiben, abonniere unseren Newsletter und folge uns auf Mastodon oder LinkedIn. Gemeinsam machen wir digitale Innovation in der Schweiz nachhaltiger. Wir freuen uns auf eure Ideen und Lösungen!