Nachhaltige Digitalisierung und Digitale Suffizienz

Prototypen für die systemische Transformation.

Alle reden über Netto-Null – wie aber erreichen wir gemeinsam dieses Ziel? Die finale Antwort dazu kennen auch wir nicht. Womit wir jedoch dienen können, ist ein erprobtes, methodisch strukturiertes Förderprogramm, das interdisziplinären Teams nachweislich dabei hilft, menschenzentriert und kollaborativ technologische Lösungen für komplexe gesellschaftliche Probleme zu entwickeln: Willkommen beim Prototype Fund.

Seit drei Jahren unterstützen wir die Entwicklung von Projekten im Bereich Civic- und Public Interest Tech. Nun ergänzen wir unseren Förderfokus um ein drittes Thema: Digitale Suffizienz. Das Thema digitale Suffizienz nimmt in der nachhaltigen Digitalisierung eine besondere Rolle ein: Suffizienz ist – neben Effizienz und Konsistenz – einer der drei Bestandteile von Nachhaltigkeitsansätzen. Digitale Suffizienz zielt dabei speziell auf die Senkung des absoluten Ressourcen- und Energieverbrauchs oder der Emissionen durch oder mit digitaler Technologie. Sie tut dies durch die Logik dessen, was „wirklich notwendig” bzw. “ausreichend” (also “suffizient”) ist, um ein “gutes Leben” zu führen – abseits einer kontinuierlichen Steigerung oder des Mehrkonsums.

Die Definition der digitalen Suffizienz, mit der wir dabei arbeiten, basiert u.a. auf dem Paper «Digital sufficiency: conceptual considerations for ICTs on a finite planet». Vier Dimensionen digitaler Suffizienz werden darin genannt, die, kurz zusammengefasst, folgende Themenbereiche umfassen:

  1. Hardwaresuffizienz – weniger Geräte, dafür langlebiger, reparierbar und aufrüstbar;
  2. Softwaresuffizienz – energieeffiziente und datensparsame Software; 
  3. Nutzungssuffizienz – der energie- und ressourcensparsame Einsatz digitaler Technologien bzw. der Einsatz digitaler Technologie, um Suffizienz-Praktiken zu fördern;
  4. Ökonomische Suffizienz – der Einsatz energie- und ressourcensparender digitaler Technologien zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, zur Förderung der Kreislaufwirtschaft etc.

Gemeinsam mit euch wollen wir dabei herausfinden und definieren, wo und wie digitale Suffizienz gefördert werden muss, um zu einer nachhaltigeren gesellschaftlichen Entwicklung beizutragen.

Warum Suffizienz und Prototype Fund so gut zusammenpassen.

Technologische Tools haben das Potential, die Ressourcen- und Energieeffizienz sowie die Kreislaufwirtschaft zu fördern und so zu einer CO2-neutralen Welt beizutragen. Gegenläufige Rebound- und Induktionseffekte können wiederum dazu führen, dass die Umweltbelastung durch Digitalisierung und technologische Innovationen ganzheitlich und langfristig betrachtet nicht abnimmt oder sogar steigt: Rebound-Effekte bezeichnen Mehrkonsum aufgrund von Einsparungen von Zeit, Geld oder Raum; Induktionseffekte beziehen sich auf Mehrkonsum aufgrund gesteigerter Optionen (vgl. ASG). 

Schon im Entwicklungsprozess neuer digitaler Lösungen gilt es daher, solch potentiellen Negativeffekten entgegenzusteuern. Nur so lässt sich gewährleisten, dass Technologie erfolgreich zur Dekarbonisierung beiträgt. Mit dem Prototype Fund fördern wir Projekte in genau dieser frühen Entwicklungsphase – und wollen deshalb den Suffizienzgedanken noch stärker als bisher in der Tech-Community und in unserer Programmstruktur verankern.

Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, dass es für die Bewältigung der globalen Multikrise unserer Überzeugung nach mehr systemische Lösungsansätze braucht. Wir müssen weg vom Narrativ allmächtiger Tech-Genies, weg vom Solutionism und hin zu holistischen, kollaborativen bottom-up Lösungen. Aufgrund seiner speziellen Förderstruktur hat der Prototype Fund großes Potential, eben diesen Transformationsprozess erfolgreich zu unterstützen. Dieses Potential wollen wir gemeinsam mit euch nutzen. 

So fördern wir digitale Suffizienz.

Eingereicht werden können bei uns weiterhin Software- sowie Hardware-Projekte. Wir ermutigen jedoch explizit auch dazu, sich mit Projekten zu bewerben, die digitale Suffizienz mit anderen Mitteln fördern. Im Zweifelsfall gilt also: Selbst wenn Code und Lötkolben bei eurer Projektidee zur Suffizienz nur die zweite Geige spielen, solltet Ihr es ruhig bei uns versuchen. Auch anhand eurer Projektideen werden wir dazulernen, was Suffizienz im digitalen Kontext alles bedeuten kann.

Neben drei Projekten, die explizit eine dieser vier Dimensionen adressieren, fördern wir nach wie vor auch solche Projekte, die nicht primär auf Suffizienz abzielen. Wir empfehlen jedoch allen Bewerber:innen, sich schon in der Bewerbungsphase mit dem Thema vertraut zu machen und das eigene Konzept auf potentielle Beiträge zur digitalen Suffizienz hin zu überprüfen. Falls ihr unsicher seid, ob eure Idee zu unserem Fokusthema passt, könnt ihr uns gerne per Mail kontaktieren und eure Fragen stellen – ihr erreicht uns unter

Weitere Informationen zum Fokusthema «Suffizienz» erscheinen zu Beginn der nächsten Bewerbungsphase (ab 23. Januar 2025) hier bei uns auf der Website. Wenn ihr den Start der Bewerbungsphase nicht verpassen wollt, abonniert am besten unseren Newsletter und folgt uns auf LinkedIn oder Mastodon. Wer sich schon jetzt ausführlicher mit dem Thema «Digitale Suffizienz» beschäftigen will, findet Informationen u.a. unter untenstehenden Links.


Leseliste «Digitale Suffizienz»:

Subtract | The untapped science of less
Klimaschutz durch digitale Technologien (UZH)
Digital Reset
Digitalisierung und Umwelt / Estermann BFH
Digital Sufficiency – Conceptual Considerations…
https://www.one-planet-lab.ch/post/welche-strategien-gibt-es-um-eine-nachhaltige-entwicklung-voranzutreiben
Jenseits der „Grünen Ökonomie“
Digitalization, Efficiency and the Rebound Effect
Don’t reduce your footprint!
Nachhaltigkeit: Wie wir unseren digitalen Alltag suffizienter gestalten (Podcast)
Vernetzte Nachhaltigkeit oder nicht-nachhaltige Vernetzung?
Nachhaltige KI: Ein Widerspruch in sich?
Digitalisierung in ländlichen Räumen und in der Landwirtschaft
Eine kurze Anleitung zur digitalen Nachhaltigkeit